Demonstration am internationalen Weltflüchtlingstag

20. Juni 2023

Rede der Jusos Passau zum Weltflüchtlingstag vom 20.06.2023

Die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, die nach dem Zweiten Weltkrieg infolge von Flüchtlingsbewegungen entstand, bildet heute die Grundlage des internationalen Flüchtlingsrechts. Der Eckpfeiler der Konvention bildet das Prinzip der "NichtZurückweisung", demzufolge Geflüchtete nicht in ein Land zurückgewiesen werden dürfen, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht ist. Die Flüchtlingskonvention stattete Geflüchtete außerdem mit einer Reihe elementarer Rechte aus: Bewegungsfreiheit, Bildung und den Zugang zu Gerichten, um nur ein paar zu nennen. Seit seiner Existenz ist das Asylrecht dabei vielen und dauerhaften Angriffen ausgesetzt:

In den 1990er Jahren kam es zu zahlreichen Asylanträgen, als der Bürgerkrieg in Jugoslawien ausbrach. In Deutschland standen rassistische Anschläge quasi an der Tagesordnung, wie beispielsweise 1991, als es zu einem Angriff auf ein Asylbewerberheim in Hoyerswerda kam. Es war die Rede von “Asylmissbrauch”, die Medien schürten Angst und Hass gegenüber geflüchteten Menschen und nach der geglückten Wiedervereinigung, konnte sich der rassistische und nationalistische Mob endlich einmal wieder richtig austoben. Anstatt Geflüchteten die benötigte Hilfe zukommen zu lassen, plädierte die damalige Koalition unter Kohl für eine restriktivere Asylpolitik.

Eine Bezeichnung, welche die Realität massiv verharmloste, denn der daraus resultierte sogenannte Asylkompromiss sorgte für unmenschliche Lebens-bedingungen und führte dazu, dass Menschen, die in anderen EU-Ländern Flüchtlingsstatus erhielten, in Deutschland keine Chance mehr auf Asyl hatten. Das Grundrecht auf Asyl als direkte Lehre der NS-Vergangenheit wurde faktisch abgeschafft, auch wenn es noch weiter existieren sollte.

Doch für die Grundgesetzänderung wurde eine 2/3-Mehrheit benötigt – diese hatte die schwarz-gelbe Koalition selbst nicht. Doch kein Verzagen, die Rettung nahte in Form der SPD, die das Schleifen eben jenes Grundrechts auf Asyl nun mit vorantrieb, welches ihre eigenen Abgeordneten im Grundgesetzt verankert hatten. Das großes Ziel, die Asylanträge zu verringern, wurde erreicht, doch zu welchem Preis?

Seither fielen Veränderungen am unterirdischen Zustand des Asylrechts sehr gering aus. Die EU verlor zunehmend an Legitimität, während der Rechtsextremismus und Rechtspopulismus an Fahrt aufnahm. Als es 2015 zur Flucht vieler Menschen aus Kriegsgebieten kommt, entscheidet sich Merkel dazu, sie aufzunehmen. Wenige Wochen nach ihrem “wir schaffen das” folgt eine Verschärfung des Asylrechts. Auch hier verfolgt die Regierung wieder das Motto “bloß schneller abschieben”.

Nun stehen wir vor einem weiteren großen Rückschritt, der die ohnehin schon prekäre Lage von Geflüchteten verschlimmern wird. Erneut schauen wir dabei zu wie Menschenrechte massiv einschränkt werden, indem bspw. ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen sollen, das Abschieben massiv erleichtert wird und die Ausnahme für Familie mit Kindern bei der Unterbringung an den EU-Grenzen nicht berücksichtigt wird. Die EU schmückt sich mit Sätzen wie “die EU bemüht sich verstärkt um eine wirksame, humanitäre und sichere europäische Migrationspolitik”. Wir Jusos sind bekanntlich Teil der SPD. Doch was macht die SPD heute? Immerhin waren es auch Sozialdemokrat*innen, die für die Genfer Flüchtlingskonvention gekämpft hatten.

Nancy Faeser - Bundesinnenministerin der SPD - ist die zentrale Person, welche für die Bundesrepublik in der EU das Gemeinsame Europäische Asyl System verhandelt hat. Dabei vergnügt sie sich momentan damit, schlicht Lügen und Unwahrheiten über den sogenannten Kompromiss zu verbreiten. In ihren Worten ist die GEAS ein "historischer Erfolg - für die Europäische Union, für eine neue, solidarische Migrationspolitik und für den Schutz von Menschenrechten." Krieg ist Frieden, Hell ist Dunkel, Olaf Scholz kann sich nicht an Cum-ExGeschäfte erinnern und das Gemeinsame Europäische Asyl System schützt die Menschenrechte.

Wie das funktionieren soll, weiß keine Menschenseele. Auch Nancy Seehofer scheint darauf keine Antwort zu haben. Denn wann immer Sie gefragt wird, redet Sie über alles, nur nicht darüber, wie denn nun das Gemeinsame Europäische Asyl System Menschenrechte schützt. Stattdessen wirft sie Kritiker*innen bei einer Partei-internen Schalte vor, sich „nicht ausreichend informiert zu haben“, denn „im Papier stehe viel sozialdemokratisches.“ Nun gibt es drei Optionen: Entweder hat Faeser besagtes Papier nicht gelesen, nicht verstanden oder das, was ihrem Verständnis nach "sozialdemokratisch" ist, heißt in der realen Welt „menschenverachtend“.

Sie erzählt - fast schon tränengerührt - wie sie selbst beim Asylkompromiss in den 90ern beinahe ausgetreten wäre; wie dankbar sie den Genoss*innen sei, die für die Flüchtlingsintegration einstehen und arbeiten; und sie spricht davon, wie wichtig das erfolgreiche Projekt einer gemeinsamen Europäischen Union ist. Warum wir am Wahrheitsgehalt dieser rührseeligen Geschichte Zweifel haben, ist und bleibt ein Rätsel. Und warum wir für ein Europa eintreten sollen, dass scheinbar nur bestehen kann, indem sich an den Außengrenzen Leichenberge stapeln, wird nicht klar.

Dabei ist Nancy Faeser nur die prominenteste Befürworterin des GEAS, quasi alle Parteimitglieder mit hohen Ämtern haben sich hinter dem Kniefall vor Nationalismus und rechter Hetze versammelt. Olaf Scholz - die fleischgewordene Progressivität der Partei mit stählernem Rückgrat - ließ dabei seiner Menschenfreundschaft wieder freien Lauf und sagte auf dem Kirchentag:

„Ich habe schon den Witz beim Europäischen Rat gemacht: Deutschland muss einen großen Strand am Mittelmeer haben. Denn tatsächlich kommen mehr Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa kommen, in Deutschland an als in den Mittelmeer-Anrainerländern im Einzelnen.“

Warum zitieren wir diese Widerwärtigkeit auch noch? Weil nichts die Position der SPD besser verdeutlicht, als diese Aussage eines sozialdemokratischen Kanzlers. Kürzer könnte nur gesagt werden: Menschenrechte? Joa, können wir schon machen, aber nur wenn‘s grad passt. Uranus und Venus müssen dafür schon im richtigen Winkel zueinander stehen und anstrengend soll es bitte auch nicht sein.

Was bleibt, ist, dass die Sozialdemokratie ihrer historischen - und leider gut eingeübten - Rolle als Steigbügelhalter der Reaktionären bei der Zerstörung des Asylrechts konsequent nachkommt - in den 90ern wie heute. Und wieder schlägt unser Kanzler Olaf Scholz zu, der am Tag des GEAS-Beschlusses im Minister*innen-Rat mit der Faschistin und italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni posiert und den Post mit den Worten „Im Ernstfall stehen wir einander bei.“ einleitet. Immerhin ist jetzt auch klar, welche „Solidarität“ für einige SPDler*innen scheinbar gemeint ist: Solidarität mit Faschist*innen und rechter Hetze.

Wir dürfen uns nichts vor machen. Das Gemeinsame Europäische Asyl System ist eine katastrophale Niederlage für alle, die für Menschenrechte und gegen die Abschottung eintreten. Es ist ein Todesurteil für flüchtende Menschen. Dieser Beschluss ist ein klarer Sieg von Nationalismus und Menschenfeindschaft. Mit freundlichster Hilfe aus der SPD kann an den Grenzen noch mehr gemordet werden. Aber wer rechten Parolen nachgibt, schafft damit nur noch mehr Legitimation und Zulauf für Nationalisten und Menschenfeinde.

Für uns gilt weiterhin: Kampf dem Faschismus! Kampf den Rechten! Gegen ein Europa der Abschottung und für echte Solidarität und Menschenrechte!

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